St. Kilda - Geografie, Geologie, Klima etc.

St. Kilda, die abgeschiedenste Inselgruppe Großbritanniens, ist ein kleiner, aus den Resten eines tertiären Ringvulkans von 6 bis 7 Km Durchmesser gebildeter Archipel von vier Inseln und einer größeren Anzahl steil aufragender Felsen (stacs) am äußeren Saum des Kontinentalschelfs. Die Gesamtfläche beträgt etwa 840 ha. Davon entfallen 638 ha auf die Hauptinsel Hirta, 99 ha auf Soay, 77 ha auf Boreray und 32 ha auf Dun.

Der Archipel teilt sich in zwei ca. 7 Km auseinander liegende Gruppen. Eine bildet das Dreigespann Hirta-Soay-Dun, die andere die Insel Boreray und die beiden größten Felsformationen Stac an Armin und Stac Lee. Das Zentrum des Vulkankomplexes lag zwischen Boreray und Hirta.

Alle Inseln sind felsig, aufgebaut aus Gabbrogesteinen, durchsetzt mit dicken Lagen von Dolerit und Basalt nebst späteren Granitmassen, und ragen steil aus dem Meer auf. Die einzige Ausnahme bildet ein flacher Sandstrand, der bei Niedrigwasser freiliegt, gefolgt von einem natürlichen Schotterstrand in der Village-Bay an der Südostküste von Hirta, der einzige aber verhältnismäßig günstige Zugang, dem wohl zu verdanken ist, dass Hirta als einzige der Inseln bewohnt war. Die Felstypen entsprechen den übrigen tertiären Zentren Nordwestschottlands.

Hirta steigt bis zu 426m über den Meeresspiegel an, Soay 373m, Boreray 380m, Dun 175m und die höchste Felsformation, Stac an Armin, 190m. Die Inselgruppe liegt etwa 160 Km vom Festlandsschottland und über 70 Km von den Äußeren Hebriden entfernt im atlantischen Sturmgürtel, heftigen Winden und schwerer See ausgesetzt, die maßgeblich zu ihrer Unwirtlichkeit und Isolation beitragen.

Das Klima ist ein, durch den Sperreffekt der Felsmassen verändertes, atlantisches Klima. Es ist gewöhnlich wolkiger als die Umgebung, regenreicher, und die Heftigkeit von Windböen wird verstärkt. Winde zwischen Süd und West herrschen vor. Zu jeder Jahreszeit sind Stürme zu verzeichnen, besonders heftige im Winter. Dann sind Flauten von mehr als ein paar Stunden selten. Die Temperaturen liegen im Durchschnitt etwas höher als auf den Äußeren Hebriden.

Die verschiedenen Gesteine, aus denen die Inseln aufgebaut sind, haben aufgrund ihres unterschiedlichen Verwitterungsverhaltens verschiedene Landschaftsstrukturen geprägt.

Abgerundete Bergkuppen im Osten von Hirta (Conachair und Oiseval) und zerklüftete Formationen im Westteil sowie auf den anderen Inseln und den großen Felsen. Die seewärts gerichteten Flächen Hirtas haben ausgedehnte Grasterrassen zwischen reinen Klippen. Diese Terrassen steigen oft um 80° an. Sie werden von den Schafen umfassend als Weidegründe genutzt und weisen jeweils ausgeprägt eigene Pflanzengesellschaften auf.

Soay zeigt sich noch unzugänglicher. Es ist allseits von steilen Klippen umgeben, sieht man von einer - dennoch schwer zugänglichen - Grasterrasse im Südwesten ab, dem einzigen Ort, der menschlichen Zutritt von See her ermöglicht.

Ähnliches trifft zu für Boreray, das allerdings an immerhin drei Stellen von See her leidlich zugänglich ist.

Die vielfältige Strukturierung der Landschaft ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Schafe, denen damit die Möglichkeit geboten ist, Schutz zu finden vor den strengsten Winden und sonstigen Wetterunbilden bei relativer Nähe zu guten Weidegründen.

Es gibt auf Hirta mehrere kleine Wasserläufe, die aber teilweise nur nach ausgedehnten Regenfällen Wasser führen. Daneben finden sich mehrere Quellen. Quellen gibt es auch auf Soay und Boreray, nicht aber auf Dun. Auf Hirta werden davon die Wiesen der früheren Siedlung bewässert wodurch Marschflächen mit Schwertlilien-(Iris pseudacorus)-Inseln entstehen.

Die große Regenmenge wird ergänzt durch reichlich Sprühnebel von See bei heftigem Wind oder Sturm.

St. Kilda dürfte der windigste Fleck der Britischen Inseln sein. Der von den dauernden, strengen Winden hoher Stärke über die Inseln getragene Sprühnebel hat spürbare Auswirkungen auf die Vegetation und bewirkt hohe Natriumwerte des Bodens.

Die Durchschnittstemperatur im Sommer ist auf St. Kilda merklich niedriger als auf dem Festland, die durchschnittliche Wintertemperatur dagegen eher hoch. Der erste Frost tritt später ein als sonst auf den Britischen Inseln, meist um den 10. Dezember, der letzte dann um den 20. März. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei 1143mm bis 1270mm, wobei die Werte für die höheren Lagen noch um etliches aufzustocken sind. Regen verteilt sich verhältnismäßig gleichmäßig über das ganze Jahr. Die durchschnittliche Zahl der Tage mit Schnee oder Graupel beläuft sich auf 20, wobei Schnee meist nicht lange liegt. Hagel ist im Winter häufig.

Bodenentstehung beruht auf einem Wechselspiel vieler Faktoren, vor allem zwischen Gesteinsgrund, Klima, Topografie, lebenden Organismen und Zeit. Im kühlen, feuchten Klima St. Kildas ist biologische Aktivität gering, so dass es leicht zu einem Auslaugen der Böden kommt, wodurch die Entwicklung saurer, vertorfter Böden und die Bildung von Torf begünstigt wird.

Bodenrutsch von Steilhängen bewirkt bisweilen Mischung und Anreicherung. Dem Auslaugen entgegen wirkt der stetige Eintrag von Dung durch Seevögel und Schafe über weite Gebiete, insbesondere der Klippenterrassen. Zudem haben stellenweise Menschen in früherer Zeit den Boden durch Kultivierungsmaßnahmen, das Beseitigen von Felsbrocken von den Siedlungswiesen über die Jahrhunderte, das Plackenschneiden zur Brennstoffgewinnung oder als Einstreu für Vieh und Dachbedeckung für Cleits (eine typische, eigenwillige Bauform, die eine trotz des feuchten Klimas trockene Lagerung von Vorräten, Materialien und Geräten ermöglichte), günstig beeinflusst. Im Umfeld der früheren Siedlung finden sich aus Kultivierung hervorgegangene Böden, schwach sauer, mit guter Wurmpopulation, hohen Nährstoffgehalten und guter Struktur, die ein gutes Medium für Pflanzenbewuchs darstellen.

Es gibt Spuren früher menschlicher Besiedlung auf Hirta in Village Bay und Gleann Mor. Wahrscheinlich war St. Kilda in christlicher Zeit durchgehend besiedelt. Möglicherweise war es schon vor Eintreffen der Wikinger, die dort eine Siedlung anlegten, bewohnt. Später folgten gälisch sprechende Siedler, vielleicht von den westlichen Inseln, nachdem jene 1266 an die schottische Krone gefallen waren. Ortsnamen gälischen und nordischen Ursprungs sind zu finden.

Nachdem 1202 ein isländisches Schiff dort Schutz gefunden hatte, findet St. Kilda erste Erwähnung in der Literatur in einer vor 1249 geschriebenen isländischen Saga. Ausführlich beschrieben werden die Inseln und ihre Bewohner erstmals von Martin Martin 1698.

Oberhalb der Village Bay auf Hirta befand sich die Siedlung der St. Kildaer, von der die Überreste der Siedlung des 19. Jahrhunderts noch vorhanden sind. Zudem sind ca. 1000 Cleitean über Hirta verstreut. Auch auf Boreray, Soay und Stac an Armin finden sich einzelne, die auf den Inseln vielfach von den Schafen als Schutz genutzt werden. Häufig ziehen sich auch Tiere dorthinein zurück und sterben dort.

Zwischen Mullach Mor und Conachair sowie auf Na Mullichean Mor findet sich ein faserig-filziger, schmieriger, streng saurer Torf. Ein anderer, massiver, dichter, wenig saurer, basenreicherer Torf erscheint auf sanften, kräftig gischtübersprühten Hängen.

Die unterschiedlichen Bodentypen und Lagen sind mit jeweils eigenen Pflanzengesellschaften belegt, wobei die auf den einzelnen Inseln vertretenen Pflanzengesellschaften sich trotz gleicher dort vertretener Arten teilweise deutlich durch deren unterschiedliche Anteile in der Zusammensetzung unterscheiden.

Selbst die Graslandgesellschaften, die allenthalben überwiegen, sind von unterschiedlichem Aufbau.

Es gibt auf St. Kilda keine Bäume oder Sträucher. Ein zur Zeit der Besiedlung gemachter Vorschlag, auf Hirta Bäume anzupflanzen, scheiterte am Widerstand der Bewohner, die eine Beeinträchtigung ihrer Nutzflächen befürchteten. Müßig zu erwägen, ob ein entsprechender Versuch unter den dort herrschenden Bedingungen überhaupt hätte erfolgreich verlaufen können - die natürliche Entwicklung scheint dem zu widersprechen.

Etliche der Pflanzengesellschaften auf Hirta stehen in engstem Zusammenhang mit dem Dungeintrag durch Schafe oder Seevögel, der Beweidung und damit verbundenem Betreten sowie ähnlichen Faktoren, wobei auch die Populationsdichte und die Artzugehörigkeit bei den Seevögeln eine Rolle spielt. Ähnlich steht es auf Soay und Boreray. Eine Ausnahme bildet Dun, wo nur der Einfluss von Seevögeln eine Rolle spielt; Schafe gibt es auf Dun nicht.

Mit dem Ende der Besiedlung Hirtas traten dort ganz zwangsläufig Veränderungen der Pflanzengesellschaften ein, die später weiteren Veränderungen unterworfen wurden, nachdem die eingeführten Soayschafe eine kurze Periode völliger Nichtbeweidung beendeten.

Die St. Kildaer nutzten Hirta, Boreray und Dun als Weidegründe für ihre domestizierten Schafe. Jene waren Tiere der auf den Hebriden verbreiteten Blackface-Rasse, die seit etwa 1872 dort eingeführt wurde. Zuvor waren es wohl Dunface oder Old Scottish Shortwool. Zeitweilig beherbergten die Inseln nahezu 1300 dieser Schafe. Vermutlich wird es vor Einführung der Blackface- und teilweise Cheviot-Schafe auch einen Bestand der alten Vierhornschafrasse von den Hebriden gegeben haben, die meist als St.-Kilda-Schafe bezeichnet wird, obgleich es keinen Beleg dafür gibt, dass sie von Beständen auf St. Kilda abstammten.

Mehrhornigkeit tritt unter Wildschafen nicht auf, findet sich aber unter domestizierten Tieren seit der Bronzezeit.

Der Bestand an Blackface-Schafen auf Hirta wurde 1930 von den abziehenden Bewohnern mitgenommen, der Bestand auf Boreray musste zurückgelassen werden weil ungünstige Witterungsverhältnisse und die geringe Zugänglichkeit der Insel den Abtransport verhinderten. Ein 1951 unternommener Versuch scheiterte ebenfalls. Mittlerweile bildet auch dieser Schafbestand eine aufschlussreiche Studienquelle.

Wenngleich die Blackface-Abstammung deutlich zutage tritt, zeigen sich doch einige Besonderheiten gegenüber bewirtschafteten Tieren, die hier zu erörtern allerdings den Rahmen sprengen würde. Auffällig ist, dass diese Tiere mit manchen Problemen zu kämpfen haben, die den Soay-Schafen unbekannt sind. Trotz des gleichen felsigen Lebensraumes treten hier beispielsweise überlange Hufe relativ häufig auf, wodurch es oftmals zum Erlahmen der Tiere kommt. Auch zeigen sie deutliche Abnutzung der Zähne, was bei Soay-Schafen nicht beobachtet wurde. Eventuell steht dies in Zusammenhang mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten.

1932 wurde das überaus schwierige Vorhaben verwirklicht, eine Gruppe von 107 Soay-Schafen (20 Jungböcke, 44 Muttertiere und 43 Lämmer - davon 22 Böcke und 21 Auen) von Soay nach Hirta zu bringen, nachdem Hirta zuvor von noch vorhandenen Tieren des früheren domestizierten Bestandes durch deren Abschuss bereinigt worden war.

In den Folgejahren wurde dann allerdings wenig Notiz genommen von diesen Schafen, bis dann zwischen 1952 und 1972 kontinuierliche Aufzeichnungen gemacht und besonders intensive Studien zwischen 1959 und 1967 durchgeführt wurden.

Die Soayschafe von St. Kilda sind die primitivste domestizierte Schafrasse in Europa. Sie bewahren noch weitgehend den Typus ihrer wilden Vorfahren und gleichen in ihrem Erscheinungsbild ganz jenen domestizierten neolithischen Schafen, die um 5000 v.u.Z. erstmals nach Großbritannien gebracht wurden und auf dem dortigen Festland sich stellenweise bis ins Mittelalter halten konnten.

Sie überlebten auf St. Kilda wegen der geografischen Isolation und der Unzugänglichkeit der Insel Soay sowie des geringen Interesses späterer Siedler. Solche Zurückhaltung der Bewohner von St. Kilda und der erklärte Wille des Landeigners aus dem Hause Macleod of Macleod, diese Schafe zu erhalten, trug in neuerer Zeit wesentlich dazu bei, ihnen das Schicksal einer vergleichbaren Population von der Färöerinsel Lille Dimon zu ersparen, die völlig ausgelöscht wurde. Allerdings kommen noch immer auf Teilen der Färöer Schafe mit Wildfärbung vor.

Die Schafe auf Soay dürften Abkömmlinge von Tieren sein, die bereits in vorgeschichtlicher Zeit auf die Inseln eingeführt wurden, wenngleich nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass sie zur Zeit der nordischen Herrschaft im 9. und 10. Jahrhundert von Wikingern dort angesiedelt wurden.

Im Unterschied zu entwickelten Rassen erscheinen die Soayschafe klein und schmalkörperig mit auffallend langen Beinen, kurzen Schwänzen und schmalen Gesichtern. Ihr Fell besteht zwar überwiegend aus Wolle, doch weisen sie in ihrem Aussehen starke Wildschafcharakteristik auf.

Diese Tiere sind durch glückliche Umstände in unsere Zeit hinübergerettete Zeugnisse des Neolithikums, von großer genetischer Bedeutung und von größtem Interesse für die Erforschung ökologischer Zusammenhänge wegen ihres Überlebens in einem eng begrenzten Ökosystem kleiner Inseln ohne Jäger und Nahrungskonkurrenten.

Lediglich kranke, erheblich geschwächte Tiere und mitunter schwache Weibchen und teilweise geborene Lämmer werden gelegentlich durch Kolkraben (Corvus corax), Mantelmöwen (Larus marinus), Nebelkrähen (Corvus corone cornix) oder Heringsmöwen (Larus fuscus) angegriffen. Ansonsten nehmen sich diese als Aasfresser der im Feld liegenden Kadaver von Schafen an. In Zeiten gesteigerter Mortalität treten sie entsprechend zahlreich auf.

Die weit umherschweifenden Möwen sind auch als potentielle Parasitenverbreiter zu sehen.

Stare (Sturnus vulgaris) dagegen setzen sich sogar zur Suche nach Läusen und sonstigen Außenparasiten auf die Tiere.

Als Außenparasiten treten Flöhe (Melophagus ovinus) und Läuse (Bovicula ovis) auf. Die Schafzecke (Ixodes ricinus) fehlt auf St. Kilda und erstaunlicherweise werden Soayschafe außerhalb St. Kildas selbst in gemischten Beständen weniger von Schafzecken befallen als die mit ihnen zusammenlebenden Schafe anderer Rassen. Vielleicht wirken hier Abwehrstrategien des Organismus, wie sie z.B. für Rehwild festgestellt worden sind.

Im Übrigen wird die Fauna St. Kildas vor allem durch das Vorhandensein enormer Seevogelkolonien geprägt. Sie zählen zu den umfangreichsten Europas. Am häufigsten ist der Papageitaucher (Fratercula arctica), gefolgt vom Basstölpel (Sula bassana) und dem Eissturmvogel (Fulmaris glacialis).

In geringerem Umfang rasten auch Zugvögel auf dem Weg von und nach Island.

Es finden sich keine Amphibien und Reptilien. Der Süßwasseraal (Anguilla anguilla), der in einem einzelnen Wasserlauf auftritt, ist das einzige niedere Wirbeltier dort.

Besonderes Interesse der Wissenschaft gilt der auf St. Kilda heimischen Unterart des Zaunkönigs (Troglodytes troglodytes hirtensis), der sogar zeitweilig als eigene Spezies beschrieben worden ist, und der Feldmaus (Apodemus sylvaticus hirtensis). Eine weitere eigenständige Form, die St.-Kilda-Hausmaus (Mus musculus muralis), die in der Vergangenheit als eigene Spezies wie auch als Subspezies beschrieben worden ist, überlebte die mit dem Verschwinden der menschlichen Bevölkerung Hirtas eintretende Veränderung ihrer Lebensbedingungen nicht und starb in der Folgezeit aus.

Nach dem Verschwinden der Menschen zugewandert sind Seehunde (Halichoerus gryphus), die seither dort vereinzelt ihre Jungen zur Welt bringen.

Die St.-Kilda-Feldmaus vermehrte sich in ihrem Verbreitungsgebiet auf Hirta und Dun. Auf Soay und Boreray wurde sie nicht gefunden.

Das Zusammenspiel all der zuvor benannten Faktoren ergibt ein ökologisch fein ausgewogenes System, abgeschlossen aufgrund seiner geografischen Isolation und daher in gewisser Weise einfach, überschaubar, das St. Kilda zu einem hervorragenden Studienobjekt für Ökologen macht, in dem die Schafpopulationen ihrerseits ein eigenes Studienfeld eröffnen.